Eine Woche lang hatte ich Zeit die Erlebnisse aus dem erstem Dienst zu verdauen. Um ganz ehrlich zu sein: In der ersten Nacht habe ich direkt einmal von der Feuerwehr geträumt. Also, ein bisschen was vom Dienst selbst und ein bisschen hier und da. Kleinkram halt. Aber genug davon, um mir bis heute im Gedächtnis geblieben zu sein. Ja doch. Ich habe beschlossen wirklich dazu gehören zu wollen.
Am Tag nach meinem ersten Dienst bin ich auch erstmal mit meinem Sohnemann im Schlapptau wieder zur Wache marschiert, um ihm die Feuerwehrautos zumindest von draußen zu zeigen. Er hat sich gefreut wie ein kleines Kind – was er mit seinen 17 Monaten ja auch darf. ‚Dadüü‘ ist sowieso eines seiner neuen Lieblingsworte. Angewandt auf Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. Da ist es natürlich enorm von Vorteil, wenn Mama gerade damit beginnt einen kleinen Feuerwehrfimmel zu entwickeln.
In dieser Woche sind allerdings auch nicht so tolle Dinge passiert. Vielleicht hat jemand von dem Unfall gehört, bei denen zwei Feuerwehrmänner ums Leben gekommen sind. Als ich die Nachricht morgens im Radio gehört habe, musste ich erst einmal ganz ordentlich schlucken. Auf einer gesicherten Unfallstelle geht man ja eigentlich nicht davon aus, noch einmal von einem LKW mitgenommen zu werden. Grausam. Traurig.
Ich wurde bereits vorgewarnt, dass aufgrund dieses Ereignisses die Kameraden in Ausgehuniformen erscheinen würden. Eine Schweigeminute abhalten, an die Männer denken und Respekt zollen. Und so stand ich an diesem Donnerstag inmitten einer Gruppe uniformierter Männer – ganz ohne Uniform, weil ich ja offiziell sowieso noch nicht dazu gehörte. Die Schweigeminute wurde dann auf das Ende des Dienstes verlegt, weil da mit mehr Mitgliedern der Wache zu rechnen war.
Diese Woche stand Theorie auf den Plan: Gerätekunde. Ich wurde in den Trupp mit den jüngeren Mitgliedern der Wache zum lf eingeteilt. Das war das Fahrzeug, dass ich sowieso schon von Innen gesehen hatte.
LF – Löschgruppenfahrzeug
Gelernt habe ich, dass Feuerwehrfahrzeuge genormt sind. Und wie das nun einmal mit Normen so ist, fällt zufälligerweise genau unser LF aus der Norm hinaus. Weil es bei uns im Ort sowieso eher Hilfs- als Löscheinsätze zu fahren gibt, wurde das LF eben eher auf Hilfseinsätze bestückt.
Unser Trupp hat eine Liste mit der Bestückung des Fahrzeuges in die Hand bekommen, die wir überprüfen sollten. Nebenher wurde dann noch abgeklärt welches Werkzeug und Hilfsmittel welchen Zweck erfüllte – super spannend für mich, unheimlich langweilig für den Rest des Trupps. So kam es, dass die erfahreneren Mädchen sich mit der Liste aufgemacht haben alles abzuklären und ich mehr oder weniger Stückchen für Stückchen erklärt bekommen habe.
Fluchtmasken: Werden von den Feuerwehrleuten mitgenommen, um diese zu rettende Personen überziehen zu können, damit diese nicht alles an Rauch und Gas einatmen müssen.
Zumindest den ersten von (ich glaube) fünf Werkzeugkabinen (Wort? Hilfe…) habe ich mitmachen können, bevor ich von unserem Wehrleiter heraus gewunken wurde. Schließlich hatte ich nach wie vor noch gar keinen Aufnahmeantrag ausgefüllt und abgegeben. Das sollte nun nachgeholt werden.
Der Mitgliedsantrag
Die Woche zuvor haben unser Wehrleiter und ich nur ein paar kurze Worte wechseln können, als ich aus dem Drehleiterkorb geklettert bin. Davor war er anderweitig beschäftigt und musste danach auch direkt weiter. Dafür hatten wir diesmal ein bisschen länger Zeit zum reden. Mir wurde ein bisschen was zu unserer Feuerwache erklärt, nach meinen Motiven gefragt. Was mache ich, wo wohne, wo arbeite ich, was macht die Feuerwehr…all solche Kleinigkeiten. Als ich erwähnt habe, dass ich von Beruf Netzwerkadministratorin bin wurde einmal aufgehorcht. „Ja, das Netzwerk hier ist auch so eine Sache…“ Ich schätze, das darf ich mir in der Zukunft auch einmal genauer ansehen.
Im Anschluss wurde besagter Antrag im Computer ausgefüllt, ausgedruckt und unterschrieben. Danach durfte ich wieder zurück zu meiner Truppe im LF, die seltsamerweise direkt drei Gerätekabinen weiter gekommen waren. Irgendwie schneller als mit mir.
Auf der anderen Seite des Fahrzeuges durfte ich ein bisschen etwas lernen zu Werkzeugkoffern zur Türöffnung, Motorsägen, Schnittfesten Schutzanzügen und Helmen, Ventile, die man an die Schläuche kuppeln kann, um provisorische Ölbarrieren zu bauen und kleinen Schaumspritzpistolen, die allerdings für einen großen Brand viel zu schnell leer gehen.
Eine Ich in Uniform
Bevor wir mit dem Fahrzeug fertig waren, wurde ich erneut zur Seite genommen. Andere organisatorische Dinge standen an. Jetzt, wo ich schließlich offiziell dazu gehörte, fehlte mir die Ausrüstung. Um ehrlich zu sein habe ich irgendwie nicht damit gerechnet, so schnell mit allem notwendigen ausgerüstet zu werden.
Tatsächlich ist in der Kleiderkammer aber alles vorhanden – größtenteils als Ersatz für die Kameraden. Mit kritischem Auge wurden mir nach und nach Arbeitsuniformteile in die Hand gedrückt: Eine Einsatzhose, die ich noch fast bequem über meine Jeans ziehen kann, eine Jacke, Handschuhe, nagelneue Stiefel und ein Helm.
„Entschuldige, dass wir nichts Kleineres da haben. Du bist so schmal.“, war dann ein Satz, der mich dann zum Kichern gebracht hat. ‚Du bist so schmal‘ ist eine Aussage über meinen Körper, die ich noch nicht gewohnt bin zu hören – vor einem Jahr habe ich noch 35kg mehr gewogen und kenne mich eigentlich nur in der Gewichtskategorie ‚zu viel‘.
Aber die Sachen – wenn ‚nichts Kleineres‘ – haben gepasst. Vielleicht versinke ich ein bisschen in der Jacke, aber als wirklich schlimm empfinde ich das nicht. Wie gesagt: ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde, dass ich eingekleidet werden würde. Um so mehr habe ich mich natürlich darüber gefreut.
Gefühlt noch schneller ging es dann auch noch, einen Spind für mich zu finden. Damit hätte ich gar nicht gerechnet, denn auf den ersten Blick in die Fahrzeughalle mit den Spinden sind alle besetzt und voll. Aber anscheinend gibt es dabei Doppelbesetzungen, sodass ich in Zukunft mein eigenes Fach für Jacke, Schuhe, Hose und Helm mein Eigen nennen kann.
A propos Helm: „Für die Einstellung musst du dir jemanden suchen, der sich damit auskennt.“ bekam ich zu hören und jeder Fragende Blick meinerseits wurde mit einem „Aber ich bin das nicht“ quittiert. Zu Ende des Dienstes fand sich dann doch eine kleine Traube an Kameraden, die das mit Hilfe der Schwarmintelligenz dabei halfen, meinen Helm auf meine Kopfgröße einzustellen.
Zum Schluss wurde noch einmal der Unfall bei Lehnin angesprochen. Mit dem Hinweis auf das Spendenkonto für die Hinterbliebenen kam auch die Information, dass wir als Wache für dieses sammeln und der Wehrleiter das gesammelte Geld dann auf das Konto überweisen werde.
Im Anschluss daran folgte die Schweigeminute und für mich das neu gelernte, dass eine Schweigeminute keine ganze Minute dauern muss. Danach hieß es Feierabend für den heutigen Tag. Gemeinsam noch einmal zusammensitzen, ein bisschen reden und in meinem Fall bald nach Hause und totmüde ins Bett fallen.
Man liest sich zum nächsten Dienst.
Beitragsbild geschossen von Jörg Levermann
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